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Bildergalerie TTIP, CETA und TISA

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Freitag, 15. Juli 2016, 18:16

Frank Bsirske im Gewerkschaftsrat am 28.6.2016

Frank Bsirske im Gewerkschaftsrat am 28.6.2016
„…Ich komme zum nächsten Punkt, nämlich den Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen TTIP, TISA, CETA – TTIP: mit den USA, TISA: mit 26 Staaten über die Liberalisierung des Dienstleistungsbereichs und CETA (als einzige dieser Verhandlungsrunden schon abgeschlossen): mit Kanada.
CETA ist ausverhandelt und wir sind jetzt, was dieses Abkommen angeht, definitiv in der Entscheidungsphase. ver.di und der DGB-Bundesvorstand haben den jetzigen Verhandlungsstand analysiert und sehen eine ganze Reihe roter Linien überschritten – etwa was sogenannte Sperrklinken-klauseln angeht, die es untersagen, einen einmal erreichten Liberalisierungs- beziehungsweise Privatisierungsgrad wieder rückabzuwickeln. Wenn beispielsweise eine schwarz-gelbe Regierung öffentliche Dienstleistungen privatisiert oder einen Regulierungsbereich liberalisiert, kann eine anders zusammengesetzte Regierung das nicht wieder rückgängig machen. Das ist verboten durch das Abkommen: ein echter Eingriff in die Souveränität und die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger! Und wir haben nach wie vor fortgeltende Schutzklauseln für ausländische Konzerne im Zusammenhang mit Investor-Staat-Schiedsverfahren. Wir haben eine sogenannte Negativliste, die dafür sorgt, dass nur und ausschließlich das, was in diesem Abkommen zum jetzigen Zeitpunkt ausgenommen worden ist, ausgenommen bleibt – während alles andere automatisch der Liberalisierung zugänglich ist, inklusive aller künftig entwickelten Dienstleistungen, deren Zuschnitt man heute noch gar nicht absehen kann, die dann aber mit diesem Abkommen automatisch einer Liberalisierung zugänglich sind. Wir haben eine Situation, wo die öffentliche Daseinsvorsorge nicht zweifelsfrei ausgenommen ist von diesem Abkommen.
Unter dem Strich sind das alles rote Linien, die dazu führen, dass das Abkommen in der jetzt vorliegenden Fassung aus unserer Sicht nicht annahmefähig ist. Weshalb wir sowohl die Bundestagsabgeordneten als auch die Abgeordneten des Europaparlaments angeschrieben haben – DGB-seitig sogar – und dazu aufgefordert haben, dieses Abkommen in der vorliegenden Fassung nicht zu ratifizieren und Nachverhandlungen zu fordern.
Nun ist längere Zeit darüber nachgedacht worden, ob es sich bei diesem Abkommen um ein sogenanntes gemischtes Abkommen handelt, das sowohl eine Zustimmung des Europaparlaments wie auch der nationalen Parlamente notwendig machen würde (wenn es gemischt ist), oder um ein Abkommen, das ausschließlich in die Zuständigkeit der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlamentes fallen würde.
Es gibt mehrere Rechtsgutachten dazu, unter anderem vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, unter anderem vom wissenschaftlichen Dienst des österreichischen Parlamentes, die eindeutig zu dem Ergebnis kommen, das sei ein gemischtes Abkommen, erfordere also auch die Zustimmung der nationalen Parlamente. Bis etwa April hat diese Position auch das Bundeswirtschaftsministerium vertreten, weiß davon aber zur Zeit nichts mehr, weil die Europäische Kommission jetzt erklärt hat, dass es sich aus ihrer Sicht bei diesem Abkommen um ein ausschließlich die europäische Ebene betreffendes und daher nur in der dortigen Zuständigkeit liegendes Abkommen handeln würde, für das es eine Zustimmungserfordernis der nationalen Parlamente nicht gäbe.
Wenn man diese Position knacken will, bräuchte man eine gemeinsame Abstimmung aller Mitgliedsstaaten der Union. Italien hat bereits erklärt, dass sie nicht dagegen stimmen würden, sodass diese Kommissionsposition wahrscheinlich zunächst nicht geknackt werden kann ohne zum Europäischen Gerichtshof zu gehen.
Nun ist interessant, dass in dieser Situation der Bundeswirtschaftsminister einen Schwenk vollzogen hat und im SPD-Parteipräsidium zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, massiv dafür plädiert hat, dass es sich um kein gemischtes Abkommen handelt.
Wir haben letzte Woche einen gemeinsamen Termin gehabt – wir, die Einzelgewerkschaftsvorsitzenden des DGB – mit Sigmar Gabriel, der neu gewählten Generalsekretärin der SPD, Katarina Barley (eine ver.di-Kollegin), und Yasmin Fahimi als Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, wo CETA auch ein Thema war und Sigmar Gabriel sehr für dieses Abkommen geworben hat: TTIP sei jetzt erst mal weg, aber CETA sei einfach großartig, ein in dieser Form einzigartig gutes Freihandelsabkommen, so gut wie noch nie eines war, wo vieles durchgesetzt worden sei. Weshalb er darum bitte, dass die Gewerkschaften Abstand davon nehmen, zu den für den 17. September geplanten Demonstrationen aufzurufen und zu mobilisieren. Solidarität dürfe ja keine Einbahnstraße sein und wenn wir das nicht so machen würden, wäre das – ich wähle jetzt bewusst eine eigene, weniger martialisch daherkommende Formulierung – wäre das eine Kampfansage an die SPD (und das war mein Wording, nicht das Wording von Sigmar Gabriel).
Ich habe für ver.di deutlich gemacht, dass wir bereits aufrufen, dass wir Handlungsbedarf sehen, dass wir rote Linien überschritten sehen und dass unsere Erwartung an die politischen Verantwortungsträger darauf abzielt, dass sie dieses Abkommen ablehnen. Und wir nicht daran dächten, von dieser Forderung und von dem Aufruf zur Demonstrationsbeteiligung Abstand zu nehmen. Das ist auf wenig Amüsement gestoßen. Ich muss auch hier nochmal unterstreichen, dass die Positionierung des DGB-Bundesvorstands an dieser Stelle eindeutig ist. Der DGB-Vorsitzende hat vor kurzem noch eine gemeinsame Stellungnahme mit dem Vorsitzenden des kanadischen Gewerkschaftsbundes abgegeben, in dem beide sich gegen CETA in der vorliegenden Fassung ausgesprochen haben.
Soweit die Situation. Wir laufen da im Zweifelsfall auf einen größeren Konflikt hinaus, werden den dann aber auch gehen müssen, Kolleginnen und Kollegen – weil wir davon überzeugt sind, dass die Auswirkungen von CETA in der vorgelegten Fassung in der Tat schädlich sind und wir hier eine Ablehnung durch die politisch Verantwortlichen für zwingend erforderlich halten.
Dass wir mit einem Versuch der Europäischen Kommission konfrontiert sind, CETA zu einem ausschließlich die europäische Ebene betreffenden zu machen, hat natürlich damit etwas zu tun, dass die sehen, dass einzelne Parlamente sich bereits gegen CETA positionieren und deswegen hier ein Bypass gelegt werden soll, damit die gar nicht zum Zuge kommen. Das ist taktisch, finde ich, nicht besonders klug, ist eher dumm, da es einen zusätzlichen Mobilisierungsschub geben wird, ist aber Ausweis einer Notlage, in der sich diese Kommission sieht – Notlage, eben weil eine Reihe nationaler Parlamente, die Österreicher, die Niederländer, die Franzosen schon signalisiert haben: Hallo, das wird bei uns keine Mehrheit finden in der vorliegenden Fassung. Dass jetzt so darauf reagiert wird, ist aber zugleich Beleg dafür, wie zentral Freihandelspolitik und Liberalisierung den Kurs dieser Kommission bestimmen und damit auf der anderen Seite zugleich eine der Quellen des Misstrauens sind gegen die Europäische Union, gegen die Politik, die dort gemacht wird und das technokratische, neoliberal geprägte Vorgehen und Denken der dort maßgeblich Verantwortlichen.

Damit komme ich zum nächsten Thema: Wir wissen und haben das ja auch auf unserem Kongress diskutiert, dass diese Freihandelspolitik, etwa gegenüber Westafrika, dazu beiträgt, dass Fluchtbewegungen, die jetzt auch bei uns angelandet sind (wenn man so will), stärker werden – wobei die Flüchtlinge ja in der Gesellschaft noch gar nicht angekommen sind. Bisher haben wir ja keine Integration betrieben – wir haben Obdachlosigkeit vermieden. Und jetzt werden sie Zug um Zug im Laufe dieses Jahres am Arbeitsmarkt ankommen.
Und dann sind wir bei der Frage der Arbeitsmarktintegration. ver.di steht hier in Gesprächen und Verhandlungsinitiativen mit Unternehmen etwa im Bereich des Nahverkehrs, der Energiewirtschaft und mit Arbeitgeber-verbänden zur Tarifierung eines so genannten Integrationsjahres, in dem mehrere Elemente kombiniert werden sollen: Arbeit und zwar bezahlte Arbeit, plus Sprachförderung, plus Einführung in Qualifizierung und Ausbildung – womit auf diesem Wege auch den Verdienstwünschen der Flüchtlinge entgegen gekommen wird: denn viele von denen denken zunächst einmal gar nicht an eine Ausbildung, sondern denken daran, möglichst schnell Geld verdienen zu können, das sie dann zum Teil auch ihren Familien zurückschicken.
Wir wollen darüber hinaus in den Betrieben von Seiten der Betriebsräte, Personalräte, Vertrauensleute und Jugendvertretungen auf Patenschaften mit Flüchtlingen, die in die Betriebe kommen und dort mit Ausbildung und Arbeit anfangen, orientieren: als Integrationshilfe aber gleichzeitig auch als eine möglichst frühzeitige Bindung an die gewerkschaftliche Organisierung.
Das wird nicht einfach, weil ja insbesondere im Bereich der Arbeitslosen, der Arbeiter, der Migranten echte Bedrohungsängste vorhanden sind. Ich will daran erinnern, dass die Wahlauswertung in Freiburg im Breisgau ergeben hat, dass dort 34 Prozent der Migranten AfD gewählt haben. Da kommt Sorge mit Blick auf den Wohnungsmarkt auf: 50 Prozent der sozialen Wohnungen gehen bis 2020 aus der Sozialbindung raus, ohne dass überhaupt ein einziger Flüchtling aufgetaucht ist. Jetzt kommen hunderttausende dazu. Da kommen Sorgen um die Situation in den Schulen in bestimmten Quartieren hinzu, Sorge um Lohndruck durch Flüchtlinge und, und, und ...
Und das ist uns im Grunde in Großbritannien – zwar nicht mit Blick auf Flüchtlinge aus Afrika oder dem mittleren Osten, aber mit Blick auf Zuwanderung aus der EU – mit der Arbeitsmigration, auch passiert. Offensichtlich hat bei den Brexit-Diskussionen die Zuwanderung eine nicht unmaßgebliche Rolle gespielt: mit der Folge, dass die Brexit-Entscheidung insbesondere von Älteren, von Arbeitern und von sozial Benachteiligten getragen worden ist – im Norden und in den Midlands von England –, denen man die EU und Brüssel als Ursache und Sündenböcke präsentiert hat, denen man jetzt mal einen Arschtritt verpassen müsse, um sich gegen Konkurrenz am Arbeitsmarkt und Bevormundung aus Brüssel zu schützen. Britain first – und der Brexit gewissermaßen als Unabhängigkeitserklärung eines freien Großbritanniens, als Independence Day.
Das ist hochgradig bedauerlich. Wenn man so will, die Höchststrafe – die Höchststrafe für eine Fehlentscheidung von geradezu historischem Ausmaß eines britischen Premierministers, der das Referendum aus innerparteilichen, taktischen Gründen angesetzt hatte und damit ohne Not jetzt einen GAU produziert hat. Und nun womöglich das Auseinanderbrechen der Union von Schottland und England erleben wird (und möglicherweise sogar Nordirland) – und einen ökonomischen Schaden, der sich in seinen ganzen Ausmaßen noch gar nicht absehen lässt, aber der tatsächlich beträchtlich sein dürfte. Keine Frage, die Entscheidung der Briten dürfte bzw. könnte Versuche nach sich ziehen, es ihnen in weiteren Referenden gleich zu tun: etwa in den Niederlanden oder Dänemark. Aussichtslos wäre das nicht.
Was aber nur deutlich macht, Kolleginnen und Kollegen, wie nötig ein Kurs-wechsel in der Politik der EU und ein Kurswechsel auf der nationalen Ebene ist, damit die EU in den Augen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sozial- und wirtschaftspolitisch als Chance und nicht – Stichwort Austeritätspolitik – vor allem als Bedrohung wahrgenommen wird.
Für die Deutschen, daran haben wir ja nie einen Zweifel gelassen, brächte das Auseinanderbrechen der Europäischen Union oder der Eurozone ein massives wirtschaftliches Krisenrisiko mit massiver Verteuerung deutscher Exporte, einem wirtschaftlichen Einbruch mit massivem Anstieg der Arbeits-losigkeit. Das ist keine wirkliche Option. Während die Fortsetzung der bisherigen Austeritätspolitik eben dieses Szenario wahrscheinlicher machen dürfte. Deshalb werden wir für einen Kurswechsel eintreten. Auch hier gilt: mehr Europa, aber anders. Mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, mit Korrekturen bei der europäischen Sparpolitik und mehr Investitionen in die Wirtschaft in Europa, mit Bekämpfung des europäischen Fiskaldumpings (Unternehmen müssen da ihre Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften – und nicht gewissermaßen in Luxemburg versteuern, was hier erwirtschaftet worden ist), mit einer gerechteren Umverteilung der Flüchtlinge in den EU-Staaten und einer Bekämpfung der Fluchtursachen durch mehr Investitionen (etwa in die afrikanischen Herkunftsländer) und mit einem Verzicht auf Freihandelsabkommen, wie wir sie mit Westafrika antreffen. Der Brexit bestätigt uns in dieser Orientierung.
Konsequenzen daraus sind ebenso nötig, wie es nötig ist, die sozialen Sorgen vieler AfD-Wähler ernst zu nehmen und für eine Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus zu sorgen, für Investitionen in unser Bildungssystem, in die öffentliche Infrastruktur, in die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen und des Sozialstaates mit samt der dafür notwendigen Abkehr von einer Politik der schwarzen Null und der steuerpolitischen Reichtumspflege der letzten zwanzig Jahre. Das ist unsere Position, Kolleginnen und Kollegen.“