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Mittwoch, 23. November 2016, 12:04

Mittels Fracking wird im Norden der USA eines der größten Erdölfelder des Landes erschlossen

»Wir verhandeln nicht«
Mittels Fracking wird im Norden der USA eines der größten Erdölfelder des Landes erschlossen. Die »Dakota Access Pipeline« soll den günstigen Transport des Rohstoffs gewährleisten. Gegen ihren Bau gibt es vielfältigen, vor allem indigenen Widerstand
Von Jürgen Heiser
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Der Protest gegen den Bau der »Dakota Access Pipeline« bringt in den USA Tausende auf die Straße (Demonstrantinnen in der Nähe des Standing-Rock-Reservats in North Dakota am 18. November 2016)
Foto: Stephanie Keith/Reuters

Jürgen Heiser schrieb an dieser Stelle zuletzt am 23.8.2016 über die Whistleblowerin Chalsea Manning.
In der Schlacht am Little Bighorn im Juni 1876 schlug eine entschlossene Reiterschaft aus Kriegern der Sioux, Cheyenne und Arapaho unter Führung Sitting Bulls das 7. US-Kavallerie-Regiment unter Oberstleutnant George A. Custer vernichtend. Dieser Akt der Befreiung von weißer Vorherrschaft ging als größte Niederlage der US-Armee während ihrer schier endlosen »Indianerkriege« in die Geschichte ein. Die Schmach und der Tod Custers wurden indes zum Ausgangspunkt der aus Rachsucht und zur »Befriedung« entfesselten Vernichtungskriege gegen die aufbegehrenden Stämme, die sich nicht unterwerfen und in sogenannten Indianerreservaten einsperren lassen wollten.

Im deutschsprachigen Raum gehört der Name des um 1831 geborenen und 1890 von Agenten der US-Indianerpolizei ermordeten Stammesführers Sitting Bull zum Allgemeinwissen. Weniger bekannt ist der Name seines bis heute existierenden Stammes, der aktuell ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit bringt, dass Washington wie eh und je »Indianerkriege« führt, um die Interessen des weißen Mannes gegen die amerikanischen Ureinwohner durchzusetzen. In diesen Tagen steht der Stamm der Standing-Rock-Sioux im US-Bundesstaat North Dakota indes nicht mehr der Kavallerie gegenüber, sondern einer Armada von Polizeisondereinheiten, die den Bau der Rohölleitung »Dakota Access Pipeline« (DAPL) gegen den indigenen Widerstand durchsetzen sollen.
Sioux

In der Sprache seines indigenen Volkes hieß Sitting Bull Tatanka Yotanka, was soviel wie »Sich setzender Bulle« bedeutet. Die zu seiner Zeit weiter nach Westen vordringenden Siedler fürchteten den klugen spirituellen und militärischen Anführer der Sioux, der gemeinsam mit anderen Stämmen der Ureinwohner Nordamerikas Ende des 19. Jahrhunderts den Widerstand gegen die fortschreitende Landnahme organisierte.

Tatanka Yotanka gehörte den im Gebiet der heutigen US-Bundesstaaten North Dakota und South Dakota lebenden Dakota- und Lakota-Nations an, den größten Untergruppierungen der Sioux. »Dakota« und »Lakota« lassen sich übersetzen mit »Freunde« oder »Verbündete«. Ihr später und bis heute eher geläufiger Name »Sioux« geht ursprünglich auf den ebenfalls in North Dakota lebenden Ojibwa-Stamm zurück, der die Lakota und Dakota »Nadouessioux« nannte. Das heißt in der Sprache der Anishinabe-Völker, denen auch die Ojibwa angehören, »kleine Schlangen«. Französische Siedler verballhornten die letzte Silbe »sou« des Anishinabe-Wortes und trugen so zum Entstehen des Wortes »Sioux« bei, französisch »Sju« und englisch »Su« ausgesprochen.

Die Sioux waren erst Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts in ihr neues Stammesgebiet westlich der Black Hills eingewandert. Aus ihrem ursprünglichen Siedlungs- und Jagdgebiet im heutigen US-Bundesstaat Minnesota hatten sie sich zurückgezogen, weil französische Kolonialisten vorhandene Widersprüche unter den Ureinwohnern für ihre Zwecke ausnutzten und den mit den Sioux verfeindeten Stamm der Cree mit Feuerwaffen ausrüsteten. Dagegen kamen die Sioux mit Pfeil und Bogen nicht an.

1776, als die ersten Lakota-Sioux das Gebiet der Black Hills erreichten, erhoben noch französische Siedler Anspruch auf diese Region als Kolonialgebiet. 1803 kaufte die Regierung der jungen Vereinigten Staaten Frankreich das Land jedoch im Zuge des »Louisiana Purchase« (Louisiana-Kauf) ab; damals zählten dazu auch weite Regionen des heutigen Mittleren Westens. Die Gebiete der Sioux blieben dabei aber zunächst unangetastet, da die »Indianer« wegen ihres Mutes und ihrer Kriegskunst gefürchtet waren.

Erst 1868 schloss Washington mit den Sioux den Vertrag von Fort Laramie über das Great-Sioux-Reservat, mit dem das Gebiet des gesamten heutigen US-Bundesstaats South Dakota einschließlich der Black Hills als »Indianerland« in die alleinige Verwaltung an die Great-Sioux-Nation übergeben wurde. Doch wie alle Verträge Washingtons mit indigenen Völkern war dieser schon bald nicht mehr das Papier wert, auf das er geschrieben war. Als 1874 in der Bergkette der Rocky Mountains, in deren östlichen Vorland die Black Hills liegen, Gold gefunden wurde, versuchte die US-Regierung, den dort lebenden Lakota die Bergregion wieder abzuluchsen, allerdings ohne Erfolg. Was legal nicht zu erreichen war, setzten rechtswidrig und bewaffnet eindringende Goldsucher durch. Diesen erneuten illegalen Landgewinn sollte Custers Kavallerie militärisch flankieren, was jedoch durch die wachsamen indigenen Krieger vereitelt wurde und zur erwähnten Niederlage Custers am Little Bighorn führte. Während die US-Armee in den nachfolgenden Rachefeldzügen auch per Artillerie die indigene Bevölkerung massakrierte, erließ Washington einfach ein neues Gesetz, mit dem den Lakota die Black Hills wieder weggenommen wurden.

Dieser einseitige Vorgang stellte einen klaren Verstoß gegen den Vertrag von Fort Laramie dar und wurde deshalb von den Sioux bis heute nicht anerkannt. Zwanzig Jahre und viele juristische Winkelzüge und militärische Überfälle später wandte der US-Kongress seine berüchtigte »Teile und herrsche«-Methode an und zergliederte das Great-Sioux-Reservat per Dekret am 2. März 1889 in mehrere kleine Reservate. Dabei entstand auch das bis heute fortbestehende Reservat der Standing-Rock-Sioux. Es ist mit rund 9.200 Quadratkilometern das sechstgrößte der USA. Der letzte US-Zensus aus dem Jahr 2010 gab die Zahl der permanent im Reservat lebenden Einwohner mit 8.250 an.

Auf der Grundlage einer Verfassung, die im April 1959 verabschiedet wurde, wird die Reservation heute von einem Stammesrat verwaltet, der »Tribal Council of Standing Rock Sioux Tribe« heißt und aus siebzehn jeweils für vier Jahre gewählten Mitgliedern besteht. Die dreiköpfige Leitung wird aktuell vom gewählten Vorsitzenden David Archambault II. angeführt, dem ein Stellvertreter und ein Sekretär zur Seite stehen. Die übrigen Ratsmitglieder werden von den acht Reservatsbezirken Fort Yates, Porcupine, Kenel, Wakpala, Running Antelope, Bear Soldier, Rock Creek und Cannonball in den Stammesrat gewählt.
Gestern Gold, heute Erdöl

Es ist vor allem der Bezirk Cannonball, benannt nach dem Fluss Cannon Ball Creek, der in den letzten Monaten international Schlagzeilen machte, weil in diesem Teil ihres Reservats der Stamm der Standing-Rock-Sioux und sein Rat verhindern wollen, dass die »Dakota Access Pipeline« am Missouri River entlang und unter dem Fluss hindurch verlegt werden soll. Waren es im 19. Jahrhundert Goldadern, die dazu führten, dass den Sioux die Rechte über ihr Stammesgebiet und ihre Lebensgrundlagen streitig gemacht wurden, so ist es heute die Ausbeutung von reichen Erdölvorkommen.

Es ist eine sogenannte unkonventionelle Lagerstätte ungeheuren Ausmaßes, die in den letzten Jahren die Begehrlichkeiten eines internationalen Konsortiums aus Banken und Energieunternehmen geweckt hat. Die Öl und Gas führende geologische Gesteinsformation, Bakken-Formation genannt, umfasst etwa 520.000 Quadratkilometer und befindet sich unter der Oberfläche des Williston-Beckens, das sich vom nordwestlichen North Dakota und dem nordöstlichen Montana bis ins nördliche South Dakota erstreckt. Sie reicht bis nach Kanada hinein und umfasst dort südliche Teile der Provinz Saskatchewan und südwestliche Teile von Manitoba. Laut der Internetplattform Geology.com entstand diese Formation zwischen dem Erdzeitalter des späten Devon und dem frühen Mississippium, ist also zwischen ca. 420 und 320 Millionen Jahre alt. Sie ist keine konventionelle sogenannte klassische Erdölfalle, sondern eine »kontinuierliche Erdölakkumulation« (engl. »continuous petroleum accumulation«), das heißt, reiche Mineralöl- und Gasvorkommen sind in Schwarzschiefer- und Sandsteinschichten eingeschlossen. Die erstmals 1953 beschriebene Formation wurde nach Henry Bakken benannt, einem Farmer aus dem Ort Tioga im Nordwesten North Dakotas, unter dessen Land die Vorkommen entdeckt wurden.

Bis 2007 galt die Formation in Kanada und in den USA als »wenig rentable bis unrentable Rohstoffquelle«, weil die Gas- und Ölvorkommen in Gesteinsschichten mit geringer Durchlässigkeit eingelagert waren. Erst durch die Weiterentwicklung des »Hydraulic Fractioning« (»hydraulisches Aufbrechen«, kurz »Fracking«) und horizontaler Bohrtechniken konnte der Staat North Dakota die Bakken-Formation nach und nach erschließen und seine Rohölgewinnung steigern. Der einzige US-Bundesstaat, der mehr Erdöl fördert, ist Texas. Die Bakken-Formation verspreche »eine jahrzehntelange Ausbeute und damit einen Boom für die Ökonomie und einen Abbau der Arbeitslosigkeit North Dakotas«, so Geology.com. Die US-Regierung sehe darin »einen wesentlichen Beitrag zur Energie­unabhängigkeit der Vereinigten Staaten«.

Das Bakken-Feld soll nach vorsichtigen Schätzungen allein in den zu den USA gehörenden Schichten rund 3,6 Milliarden Barrel Öl und 1,9 Billionen Kubikmeter Erdgas und 148 Millionen Barrel Erdgaskondensate enthalten. Diese Zahlen umfassen sowohl konventionelle als auch unkonventionelle Vorkommen. Das Ölfeld ist somit nach dem jüngst auf 20 Milliarden Barrel geschätzten Wolfcamp-Feld in Texas das größte kontinentale Fördergebiet des Landes.

2008 gab es nur wenige Bohrtürme über dem Bakken-Feld. Schon Ende 2012 waren es Tausende. Geology.com spricht von »einer der wichtigsten Rohölquellen in der Geschichte Nordamerikas«. Das wurde erst durch die forcierte Anwendung der Frackingtechnik möglich.
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Foto: jW

Was noch fehlte, war eine Pipeline, die den raschen Transport des Rohöls im Land und auf die Weltmärkte garantiert, der jetzt noch mühsam und teuer mit Tanklastzügen auf der Straße realisiert wird. Die texanische Unternehmensgruppe Energy Transfer Partners (ETP) verfolgt das Ziel, nach Fertigstellung der Pipeline täglich rund 470.000 Barrel Rohöl Richtung Süden zu pumpen. Weil der Nordwesten North Dakotas zu den nur dünn besiedelten Regionen der USA gehört, machte sich keiner der Verantwortlichen große Sorgen hinsichtlich eventueller Einsprüche gegen den Bau der Pipeline. Irgendwelche »Indianer« hatte niemand auf dem Plan. Es ging um das große Bild: Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) sind die USA nicht zuletzt durch das Fracking von Schieferöl 2014 zum weltgrößten Ölproduzenten aufgestiegen. Deshalb standen beim Pipelinebau in North Dakota von Anfang an strategische Fragen der Energieproduktion und des Welthandels mit fossilen Brennstoffen im Vordergrund.

Als das für die Genehmigung großer industrieller Bauprojekte und die Wasserversorgung des Landes zuständige »United States Army Corps of Engineers« (USACE) im Juli 2016 den Bau der 1.930 Kilometer langen »Dakota Access Pipeline« von North Dakota über South Dakota und Iowa bis nach Illinois genehmigte, sahen die Chefs der ETP-Gruppe den Weg frei für ihr Vorhaben, die Pipeline schon 2017 nutzen zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt schien das Genehmigungsverfahren ein rein formaler Akt und völlig unkompliziert zu sein, weswegen man mit dem Bau schon begonnen hatte. In froher Erwartung großer Profite freute sich darüber auch ein großes Konsortium nationaler und internationaler Banken und Finanzmakler, das das Projekt finanziert.
Festlegung auf Fracking

Wie die in Washington D. C. ansässige Umweltschutzorganisation »Food and Water Watch« (FWW) analysierte, stehen hinter dem DAPL-Projekt insgesamt 38 Finanziers, zu denen unter anderem Wall-Street-Unternehmen wie Goldman Sachs, Wells Fargo und JP Morgan Chase gehören, »deren Namen seit der Finanzkrise von 2007 berüchtigt« seien. Laut FWW trugen »siebzehn Finanzinstitutionen mit 2,5 Milliarden US-Dollar zum Bau der Pipeline bei«. 26 international operierende Banken wie die Bank of America, Citizens Bank, Royal Bank of Canada, Bank of Nova Scotia, Credit Suisse, UBS, Deutsche Bank, Bayern LB, Societé Generale, Sumitomo Mitsui Bank und die Bank of Tokyo hätten unter maßgeblicher Initiative und Führung der City Bank der genannten ETP-Unternehmensgruppe »eine revolvierende Kreditlinie von 3,75 Milliarden US-Dollar eingeräumt, damit sie ihre Öl- und Gasinfrastruktur weiter ausbauen kann«. Kooperationspartner und Subunternehmen der ETP-Gruppe verfügten über weitere Kreditlinien von rund vier Milliarden US-Dollar, so FWW.

Alles in allem belaufe sich die Kreditlinie für das DAPL-Projekt auf 10,25 Milliarden US-Dollar aus der Finanzwirtschaft, deren Rückzahlung die Unternehmen aus den Einnahmen der ETP-Gruppe »in den nächsten Jahrzehnten erwarten«. FWW wirft den Konzernen vor, sie würden damit »im Namen einer falsch verstandenen Energieunabhängigkeit und -sicherheit der USA die Energiegewinnung für lange Zeit auf Fracking festlegen und damit die verhängnisvolle Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen erhöhen«.

Wenn sich inzwischen Umweltschutz- und Bürgerrechtsorganisationen und mittlerweile auch die Weltöffentlichkeit so intensiv mit dem Bau dieser Pipeline befassen, geht dies vor allem auf die Wachsamkeit der Standing-Rock-Sioux zurück. Seit Erteilung der Baugenehmigung durch die USACE im Sommer leisten sie auf vielfältige Weise Widerstand gegen das Projekt. Anfänglich ging es vor allem um die Verteidigung ihrer Grab- und Kultstätten gegen das weitere Vordringen der Planierraupen auf das Gebiet ihres Reservats. Doch schon bald nahm ein anderer Aspekt für sie in diesem Kampf eine zentrale Stellung ein. Im Interesse der gesamten betroffenen Region mit ihren 18 Millionen Einwohnern treten sie als »Water protectors« (Wasserschützer) für die Sicherung der Versorgung mit sauberem Trinkwasser ein.

Dabei erhalten die Sioux die Unterstützung Hunderter Stämme der First Nations aus den USA, Kanada und Lateinamerika sowie von einer breiten Bewegung aus Umwelt- und Klimaschützern, Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen. Sie verteidigen gemeinsam die Rechte der indigenen Völker, lehnen die Ausbeutung und Nutzung fossiler Brennstoffe grundsätzlich ab und kämpfen zum Wohle künftiger Generationen und aller Lebensformen auf dem Planeten Erde für eine grundlegende Veränderung der Energiepolitik.

Unter dem Eindruck des wachsenden Widerstands gegen den Pipelinebau in North Dakota gaben das Justiz- und Innenministerium und das Heeresamt der USA am 9. September 2016 in Washington D. C. eine gemeinsame Stellungnahme ab. Darin kündigten die hochrangigen Regierungsinstitutionen überraschend an, das »United States Army Corps of Engineers« werde als zentrale Institution des staatlichen Bauingenieurwesens in den USA Maßnahmen zum Bau der Rohölleitung »entlang oder unter dem Lake Oahe« doch nicht genehmigen. Und zwar solange nicht, wie noch nicht näher bestimmt sei, »ob irgendeine seiner vorherigen Entscheidungen bezüglich des Geländes um den Lake Oahe im Lichte des National Environmental Policy Act (NEPA) oder anderer Bundesgesetze zu revidieren« sei. Alle Beteiligten hätten »ein Anrecht auf eine klare und baldige Entscheidung«. Dazu zählte die ministerielle Stellungnahme nicht nur die in der vom Bau der Pipeline unmittelbar betroffenen Standing-Rock-Reservation lebenden Sioux, sondern ausdrücklich auch »das Pipeline­unternehmen und seine Beschäftigten«. Als wäre nicht allen klar gewesen, dass vor allem die Interessen des internationalen Konsortiums aus Konzernen und Banken unter Führung der texanischen ETP im Zentrum der Politik Washingtons stehen. Verbunden war mit dem Dekret deshalb auch nicht die amtliche Anordnung zum sofort vollziehbaren Baustopp am Missouri River, sondern lediglich ein an ETP gerichtetes Ersuchen, »jede Bautätigkeit innerhalb von 20 Meilen östlich oder westlich des Lake Oahe freiwillig ruhen zu lassen«.

Der ETP-Gruppe nutzte seitdem jede sich bietende Gelegenheit, ihr Vorhaben voranzutreiben, um es termingerecht vollenden zu können. So folgten die Bautrupps beispielsweise am 27. Oktober den Polizisten, die ein Widerstandscamp der Pipelinegegner in einem der Bauabschnitte unter Einsatz von Pfefferspray, Holzknüppeln und gepanzerten Fahrzeugen geräumt hatten, um im Rücken der vorstoßenden Polizeikräfte die Bauarbeiten sofort wieder aufzunehmen. Weit mehr als die Hälfte der Ölleitung ist inzwischen fertig, weil der im September von der Obama-Regierung erbetene begrenzte Baustopp ausschließlich Ufergebiete des Missouri Rivers und des unter anderem aus diesem Fluss gespeisten Oahe-Stausees betrifft.
Breiter Widerstand

Für vergangene Woche hatten die Ingenieure des USACE eine abschließende Entscheidung darüber angekündigt, ob die Pipeline den Missouri River kreuzen darf. Die DAPL-Gegner hatten daraufhin für Dienstag, den 15. November, einen internationalen Aktionstag ausgerufen. Als eine von Dutzenden Organisationen hatte das »Indigenous Environmental Network« zur Teilnahme aufgefordert. Dallas Goldtooth hatte zuvor in den sozialen Medien für das Netzwerk erklärt: »Wir wissen nicht, ob wir Präsident Obama dazu bringen können, zu handeln – bislang ist er unverbindlich und vage geblieben.« Zuletzt war Barack Obamas Vorschlag an ETP bekanntgeworden, über eine Verlegung der Pipeline um die kritischen Gebiete herum »nachzudenken«. Aber auch wenn Obama eine reale Initiative ergreifen würde, so Goldtooth weiter, sei es ungewiss, ob der neugewählte Präsident Donald Trump »das nicht einfach wieder rückgängig machen würde«.

Der Aufruf zum Aktionstag wurde international in rund dreihundert Städten befolgt. Auch auf dem Klimagipfel in Marrakesch (Marokko) und bei den täglichen »Nicht mein Präsident«-Demonstrationen gegen Trump in den USA wurde der Protest der Fracking- und Pipelinegegner aufgegriffen. In allen 50 US-Bundesstaaten kam es unter Beteiligung Abertausender Menschen zu einer beeindruckenden Welle von Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Aktionen des zivilen Ungehorsams und weiteren vielfältigen Protestformen. Auf der Kundgebung in New York City berichtete Curtis Ray Yaz von der Blackfeet Nation, sie lebe seit August in einem der Standing-Rock-Protestcamps. Dort sei es jetzt kalt. Die Polizei beobachte sie »24 Stunden am Tag mit Drohnen, unsere Zelte werden abgehört, Informanten in die Versammlungen eingeschleust, wir werden immer wieder in Handschellen abgeführt«. Aber das werde den Widerstand nicht stoppen, »denn wir haben keine Angst mehr!« In den Widerstandscamps in North Dakota finde derzeit die »größte Versammlung amerikanischer Ureinwohner seit Jahrzehnten statt«, meldete das US-Politikmagazin »Democracy Now!«

Zahlreiche Kundgebungen fanden vor den rund drei Dutzend Büros des USACE statt. Kurz vor dem Aktionstag hatte die Armee noch verlauten lassen, zur Entscheidung über die Unterquerung des Missouri Rivers mit der Pipeline seien »vor dem Hintergrund des Verlustes von Land, den die Great Sioux Nation erlitten« habe, »weitere Gespräche und Analysen nötig«. Dabei müsse auch die Bedeutung des Trinkwasserstausees Lake Oahe für den Stamm berücksichtigt werden. Deshalb werde es zusätzliche Besprechungen mit den Standing-Rock-Sioux geben. In dieser Zeit dürfe »der Bau an den Ufern und unter dem Grund des Flusses weiterhin nicht fortgesetzt werden«, endet die Erklärung des USACE.

Der Vorsitzende des Sioux-Stammesrates, David Archambault II. kommentierte dies auf der Internetseite Standwithstandingrock.net, das sei zwar »nicht hundert Prozent das, worauf der Stamm gehofft habe, weise aber in die richtige Richtung«. Dagegen kündigte der ETP-Vorstand sofort rechtliche Schritte an. Vor einem Bundesgericht in der US-Hauptstadt beantragte ETP, »die politischen Einmischungen der (Obama-) Regierung in das Genehmigungsverfahren für die Dakota Access Pipeline zu unterbinden«. Das Gericht möge statt dessen festlegen, dass »Energy Transfer Partners schon jetzt das Recht zum Bau der Pipeline hat, ohne dass weiteres Handeln oder Erlaubnisse durch das Army Corps of Engineers nötig« seien. ETP seien durch die Verzögerungen bis jetzt schon »100 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Kosten entstanden«, heißt es in der Klageschrift.

ETP setzt jetzt aber vor allem auf die Unterstützung des designierten US-Präsidenten Trump. Der Mann scheint sich als Segen für das Pipelineprojekt zu erweisen. Weniger als zwölf Stunden nach Trumps Wahlsieg stieg der Börsenkurs der ETP-Aktie um 15 Prozent an. Gegenüber dem Sender CBS zeigte sich Konzernchef Kelcy Warren »hundert Prozent davon überzeugt, dass Trump die Fertigstellung der Dakota Access Pipeline fördern« werde. Man kennt sich nicht persönlich, verkehrt aber auf entsprechender Ebene miteinander, wie CBS meldete: Warren hat 100.000 Dollar für Trumps Wahlkampf gespendet, und Trump anderthalb Millionen Dollar in ETP investiert.

Vom zukünfigen Energieminister Harold Hamm ist nach Recherchen der Nachrichtenseite Eco Watch bekannt, dass er als Geschäftsführer der Continental Resources in Oklahoma (Eigenwerbung: »America’s Oil Champion«) ein »Ölprofiteur ist, der Wasser, Farmland und Gemeinden in North und South Dakota und weiter flussabwärts ausbeutet«, wie Angie Carter vom »Women, Food and Agriculture Network« erklärte. Das Netzwerk gehört einem Bündnis von 30 Gruppen in Iowa an, das die Pipeline ebenfalls verhindern will. Ladonna Bravebull Allard, Sprecherin des »Sacred Stone«-Widerstandscamps auf dem DAPL-Bauland, sagte laut der Nachrichtenseite Common Dreams zum Stand der Dinge: »Wir verhandeln nicht. Über die Erhaltung der Reinheit des Wassers gibt es nichts zu verhandeln. Wir werden standhalten, und zwar so lange, bis das letzte Rohr wieder aus dem Boden entfernt wurde.«
lG
Andy