Volker H.A. Fritz Wolfenbüttel, den 07.11.2013
Tel.: 05331-855174
An die Redaktion
WELTSPIEGEL der ARD
an die Autorinnen
Tina Hassel und Ina Ruck
und den Redakteur Tibet Sinha
Betreff: Sendung WELTSPIEGEL am 06.11.2013 um 22.45 Uhr
mit dem Titel "Boom oder Blase?"
Kommentar zu Ihren Inhalten bezüglich "unkonventionellem
Erdgas" und seiner möglichen strategischen Bedeutung:
Sehr geehrte Damen,
Sehr geehrter Herr Tibet Sinha,
ich habe gestern die Sendung mit Spannung erwartet, da ich
seit Jahren engagiert dafür eintrete, "Fracking" in Deutschland
nicht anzuwenden.
Um so mehr bin ich enttäuscht, dass Sie sich auf die
Propaganda-Stories der einschlägigen Industrie und deren
Multiplikatoren eingelassen haben, ohne sich auch die begründeten
Argumente der Gegner anzuhören und sie mit aufzunehmen.
Im Begelttext zu der Sendung heisst es: "Wie Fracking die Welt
verändert" beschreibt den spannenden Kampf um Öl und Gas und hinterfragt kritisch den enormen Aktionismus, der durch Fracking
entstanden ist".
Es tut mir leid, aber dieses "kritische Hinterfragen" ist im Film so
unauffällig eingepackt, dass der nicht-informierte Zuschauer ein
verzerrtes Bild der Wirklichkeit aufnimmt. Dadurch wird dieser
"WELTSPIEGEL"-Bericht zu einer Werbung für Fracking.
Im Einzelnen bemängele ich:
Sie berichten nicht über den enormen Widerstand in den USA,
der aus den durch Fracking entstandenen riesigen
flächenhaften Schädigungen der Landschaft, des Grundwassers
und der Natur entstanden ist und den Tausenden gesundheitlich
Geschädigten, die im Bereich von Fracking-Gasförderplätzen
leben müssen. (Siehe "List of The Harmed")
Sie berichten nicht darüber, dass es begründetes Schätzungen gibt,
dass die Behauptungen der U.S.-Gasindustrie und der U.S.-Regierung
zur künftigen Energie-Import-Unabhängigkeit falsch sind und
gezielt propagandistisch eingesetzt werden.
Experten sind sich heute darin einig, dass die USA niemals
unabhängig von fossilen Primär-Energie-Importen sein werden,
so lange sie nicht im eigenen Lande den Verbrauch dieser Energien
drastisch reduzieren.
Anmerkung dazu: eine kürzlich erfolgte Reise einer
EU-Parlamentariergruppe durch die USA - gesponsort von der U.S.
Öl- und Gasindustrie - ergab in den Gesprächen eindeutig,
dass diese mächtige Gruppe keinesfalls bereit ist, im Sinne
einer wirksamen Verringerung ihrer Umsätze in den USA tätig zu
werden.
Sie berichten über die vielen Arbeitskräfte, die in Nord-Dakota,
einem ganz dünn besiedelten Gebiet, einen "Job" gefunden haben,
der obendrein super bezahlt wird, um das Bakken Shale
"ab zu ernten". Leider unterlassen Sie es, darauf hinzuweisen,
dass diese Containersiedlungen mit der fortschreitenden
Fracking-Förderung, aus immer neu zu bohrenden Löchern,
mitwandern wie ein Heuschreckenschwarm, der nach kurzer Zeit
wieder verschwunden ist. Das kaputte Grundwasser, die zerstörte
Landschaft und die paar Einheimischen bleiben jedoch zurück.
Sie berichten nicht darüber, dass im wasserarmen Nordwesten und Westen
und Südwesten der USA bereits heute ein Wettbewerb um die geringen
verfügbaren Wasservorräte stattfindet, Gasindustrie gegen Farmer.
Die Wasserbrunnen sind in privater Hand und das Wasser wird an
den Meistbietenden verkauft. Das ist die Gasindustrie.
Durch Übernutzung der Brunnen und durch extrem trockene Sommer
in den letzten Jahren ist vielerorts der Grundwasserspiegel
bedrohlich gefallen und in einigen Gegenden ist Landwirtschaft
und selbst Viehzucht nicht mehr möglich.
Sie berichten nicht deutlich genug darüber, dass diese Gasförderung
mittels "Fracking" in den USA überhaupt erst in großem Stile
möglich wurde, weil ein Lobbyist der Gasindustrie, Dick Cheney,
2005 als U.S.-Vice President es schaffte, alle geltenden
Umweltstandards der USA außer Kraft zu setzen, soweit "Fracking"
betroffen war. Seitdem wird in den USA kräftig "herumgesaut".
Sie berichten nicht, dass zum Verpressen der hoch giftigen riesigen
Mengen an Abfallflüssigkeiten aus der Fracking-Öl- und
Gasförderung -aus Mangel an anderen sich bietenden geologischen
Formationen - die zuständigen Behörden auch ganze Grundwassersysteme
unter den weiten Flächen der USA als mögliche Trinkwasserquellen
aufgegeben und zur Deponie dieser hoch giftigen Abfallflüssigkeiten
freigegeben haben.
Sie berichten nicht deutlich genug darüber, dass die U.S. Gaspreise
nicht das Ergebnis billiger Produktion von Schiefergas, sondern
das Ergebnis eines spekulativ verursachten Überangebotes in 2010/11.
Die "BIG FIVE" des Ölgeschäftes der USA sind seit Anfang 2012
auch (durch Übernahmen) die Herrscher über das Fracking-Gasgeschäft
der USA und seitdem steigt der Gaspreis systematisch wieder.
Er ist von 2,00 USD/Engergie-Einheit inzwischen schon wieder
bei 4,50 USD angelangt und erste Steinkohlekraftwerke in den USA
wurden wieder in Betrieb genommen, da sie jetzt wieder
wettbewerbsfähig sind.
Sie berichten nicht darüber, dass im Nordosten der USA, wo das Marcellus
Shale Gasfeld durch Pennsylvania bis in den Staat New York reicht,
die Trinkwasserversorgung der Ballungsräume an der Ostküste in
größte Gefahr gebracht wird, weil in eben diesen Bergen, wo das
Wasser herkommt, die Gasindustrie unbedingt bohren, fracken und
fördern will. Mit ihrer Macht übt sie massiv Druck auf alle
Poltiker aus, diese Förderung "nicht zu behindern".
Sie zitieren zwar den russischen Präsidenten Putin, der völlig zu Recht
erklärt, dass die Produktion von Fracking-Gas viel teurer ist, als
die konventionellen Gases (er sagt 5-fach teurer). Was daraus aber
abzuleiten ist -nämlich dass Fracking-Gas nur dort "wirtschaftlich"
sein kann wo a.) alle Umweltstandards außer Kraft gesetzt sind
und wo b.) massive staatliche Subventionen die höheren
Investitions- und Förderkosten ausgleichen
diesem Gedanken geben Sie in Ihrem Beitrag keinen Raum.
Sie fasziniert "das Große Machtspiel USA gegen Russland" und darüber
wird viel in Ihrem Beitrag gesprochen. Leider gerät das Ganze
zu der Erörterung "Wer hat mehr zu bieten?"
Um aber unsere Zukunft lebbar für uns Menschen zu gestalten,
darin sind sich die Wissenschaftler -außer denen, die die U.S.
Gasdindustrie bezahlt - einig, müssen wir alle die
CO2-Emissionen auf unserer Erde drastisch (nicht nur ein
bisschen) reduzieren, verglichen mit dem heutigen Niveau.
Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der heute bekannten
fossilen Rohstoffreserven bis 2050 gar nicht mehr zur Verbrennung
kommen darf ( ca. 70%), wenn die max. 2 Grad Erdatmosphären-
Erwärmung in etwa eingehalten werden soll.
Es steht im Augenblick aber eher zu befürchten, dass die heute
Mächtigen die dafür notwendigen, dringend erforderlichen, Schritte
blockieren werden, damit ihre Profite nicht sinken.
Das lässt eine Erwärmung um mehrere Grad höher denkbar erscheinen,
die das Ende unserer heutigen Lebensweise bedeuten könnte.
Die 19. UNO-Klimakonferenz in Warschau in der nächsten Woche
wird uns ja einige Hinweise geben, was uns erwarten könnte.
Ich hoffe nur, dass Sie das Thema erneut aufgreifen und dann
umfassender alle Aspekte beleuchten, so dass Ihre Zuschauer
ein realeres Bild über das, was vorgeht, erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Fritz
Mitglied in "Gegen Gasbohren"
im AK Fracking Braunschweiger Land
Sehr geehrte Adressaten
bei der ARD-Redaktion,
als Nachsatz zu meinem heutigen Kommentar zu der gestrigen
Sendung "Boom oder Blase" sende ich Ihnen anbei die Datei
einer Untersuchung des unabhängigen Umwelt-Portals
"Earthworks" aus den USA. Sie ist ganz frisch vom September.
Bewohner eines anderen Erdgasfeldes mit Fracking-Förderung
in den USA, des Eagle Ford Shale, im Süden der USA,
hatten über gesundheitliche Beschwerden durch die
Abdünstungen beim Fracking und beim anschließenden Fördern
und Aufbereiten des Gases berichtet, von den zuständigen
texanischen Behörden aber keinerlei Unterstützung erhalten.
Daraufhin hatten sie sich an Earthworks gewendet, die dann
eigene Untersuchungen vor Ort im Umfeld der Beschwerdeführer
machten, um Fakten in die Hände zu bekommen.
Ergebnis (siehe Seite 29 des Berichtes):
"Reckless Endangerment While Fracking the Eagle Ford" vom
September 2013
Zitat:" es wird nachgewiesen, dass Luftverschmutzung durch die
Öl- und Gas Entwicklung im Eagle Ford Shale tatsächlich eine
Belastung ist und wahrscheinlich die Gesundheit der Bewohner
im Karnes County in Texas beeinträchtigt, einschließlich der
Familie Cerny. Trotz dieser Feststellungen wurde von den zuständigen Aufsichtsbehörden nichts unternommen, um die verantwortungslosen Betreiber der Anlagen zur Ordnung zu rufen, oder auf andere Weise
die Gesundheit der Anwohner dieses Gebietes zu schützen".
Hintergrund: die texanische Regierung wird von der Öl- und Gaslobby
beherrscht. Es wird nur Gouverneur, wer dieser Industrie gefällt.
In diesem Staat hat diese Industrie fast Narrenfreiheit.
Der ausführliche Bericht von Earthworks (47 Seiten) hängt für Sie
als Datei an.
Nochmals freundlioche Grüße
Volker Fritz